Leseprobe 
"110 Kilo Scheine"

Prolog – Mehr Schein als Sein

 

Die meisten denken, Geld sei schwer zu verdienen.
Stimmt.
Aber leichter zu verlieren ist es trotzdem.

Vor allem, wenn niemand so genau hinsieht.
Oder wenn alle genau wissen, wohin man besser nicht schaut.

110 Kilo Scheine verschwinden nicht mit Karacho aus einem Casino.
Die springen nicht über Zäune oder reißen sich los.
Die fahren ganz normal über die Straße. Im Lieferwagen. Mit Papieren.
Die machen keinen Lärm. Nur Buchungslücken.

Kein Alarm.
Kein Knall.
Nur ein paar Klicks.
Und ein paar Leute, die wussten, was sie tun.

Der Trick war nicht der Diebstahl.
Der Trick war, dass niemand ihn als solchen erkennen wollte.
Schon gar nicht offiziell.

Und so verschwand das Geld.
Nicht über Nacht – sondern mit System.

 

Der Raub am Deich

 

Kurz vor sieben Uhr morgens bog der gepanzerte Transporter der Firma NordCash auf die schmale Landstraße bei Altenesch ein. Die Sonne stand bleich über den Feldern, das Licht diffus, die Luft noch feucht vom Nachtnebel. Die gewohnte Route war gesperrt – laut Auskunft eines Beamten wegen eines Gasaustritts. Stattdessen schickte man sie über eine Nebenstrecke entlang des Deiches.

„Komisch“, sagte Maier auf dem Beifahrersitz, den Blick aufs Navigationsgerät gerichtet. „Die Strecke ist sonst nie gesperrt. Und ’ne Baustelle gibt’s hier garantiert nicht.“

Krüger zuckte mit den Schultern. „Ist offiziell umgeleitet. Der Typ sah auch nicht aus wie ein Statist.“

Maier runzelte die Stirn. „Trotzdem. Irgendwas stimmt hier nicht.“

Keine hundert Meter weiter: ein weiterer Polizeiwagen, quer am Fahrbahnrand. Kein Blaulicht, aber zwei uniformierte Beamte standen davor – Helme, Westen, rote Kelle.

Krüger schaltete die Gegensprechanlage ein. „NordCash Transport 42 an Einsatzfahrzeug. Um welche Kontrolle handelt es sich? Wir wurden bereits umgeleitet.“

Es knackte in der Leitung. Eine ruhige Männerstimme antwortete: „Routinemäßige Bestätigung der Umleitung. Bitte stoppen Sie das Fahrzeug und schalten Sie den Motor ab.“

Krüger und Maier wechselten einen Blick.

„Wir sind im Direktauftrag der Bundesstelle für Sicherheitslogistik unterwegs. Warum die Kontrolle?“, fragte Krüger.

Ein kurzes Schweigen. Dann: „Sicherheitsüberprüfung wegen möglicher Gasleckage im Untergrund. Verfahren Sie nach Vorschrift. Motor aus.“

Krüger gehorchte – misstrauisch. Über die Innenkamera beobachteten sie, wie einer der vermeintlichen Polizisten langsam näherkam. Kein Tablet. Kein Lesegerät. Stattdessen ein langes, silbern glänzendes Rohr.

„Der hat keinen Ausweis in der Hand“, murmelte Maier. „Was soll das?“

Dann ertönte eine Stimme von außen – diesmal laut, verstärkt durch ein Megafon:

„Bleiben Sie ruhig. Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten: Öffnen Sie die Fahrerkabine – oder wir fluten weiter. Sie atmen bereits ein leichtes Gasgemisch ein. Die Konzentration steigt.“

„Scheiße“, fluchte Maier. Ihm wurde schwindelig. Auch Krüger spürte, wie die Sinne flackerten.

„Wir müssen aufmachen. Das ist kein Bluff“, presste Krüger hervor und griff zur Entriegelung.

Dann ging alles schnell: Türen aufgerissen, die Männer herausgezerrt, entkleidet, gefesselt – alles routiniert und ohne überflüssige Worte. Am Wegrand abgelegt. Aus dem Transporter wurden die Geldkassetten verladen – exakt 2,67 Millionen Euro in bar. Standardisierte Behälter. Saubere Arbeit.

Die Täter stiegen in ihren falschen Polizeiwagen, gaben Gas – und waren verschwunden.

Zurück blieben Krüger und Maier – zitternd, benommen, liegend im feuchten Gras. Dann wurde alles schwarz.

Demnächst

©Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten.

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.